Alket hat geschrieben:
Meine frage an dich ist aber eine andere, was meinst du unter "hinderliche Mentalität", ich frage dich weil du auch sonst recht arrogante Bemerkungen von dir gibst die ich bis anhin ignorierte, aber das nimmt mich jetzt doch wunder was du unter Mentalität verstehst.
Das Wort arrogant ist mir ein recht verdächtiges Wort. Es wird allzu oft als Gegenvorwurf von jenen gebraucht, die eine Dummheit begangen haben, und, darauf hingewiesen, sich auch gekränktem Ehrgefühl heraus weigern dies einzusehen. Nun wird gleich jemand kommen, der meint: Aber es kommt auch darauf an, wie man es sagt. Ich finde es viel hilfreicher, man sagt es direkt. Das wirkt nachhaltiger. Bei Albanern auf alle Fälle. Sie sind zumeist erst furchtbar gekränkt, später gehen sie in sich und überlegen, ob am Vorwurf was dran ist. Nicht selten stellen sie ihn dann sogar ab.
Im speziellen Falle meine ich mit Mentalität besonders die unter den politischen und wirtschaftlichen Eliten vorherrschende Denkweise. Sie ist es, die das Land meines Erachtens am meisten hindert, vorwärts zu kommen. Die politische und überhaupt die öffentliche Kultur ist hier weitgehend von einem sterilen Clan- oder Gefolgschaftsdenken bestimmt, das Züge einer Diktatur trägt. Für Alternativen ist hier kein Platz, sie kommen gar nicht erst hoch oder verkümmern, es gibt hier keine wirksame Zivilgesellschaft (siehe „Mjaft“ bzw. seine Nachfolger-Reste). Hier streitet man nicht über parteipolitische Programmatik und diesbezügliche Unterschiede, sondern hier geht es in den Auseinandersetzungen fast ausschließlich um persönliches Hickhack, das der Machtsicherung dient, um formalen Verfahrensstreit. Drei Viertel der parlamentarischen Arbeitszeit werden damit vergeudet. Selbst so etwas Grundlegendes wie Wahlordnung und –verfahren sind nach 20 Jahren „Demokratie“ noch umstritten.
Insofern fand ich es bemerkenswert, dass man wenigstens die respektable Vision einer neuen Verkehrswege-Infrastruktur entwickelt (es gibt noch ein zweites Feld, wo ich glaube, dass vielleicht sogar parteiübergreifend eine strategische Konzeption besteht, das sind die Beziehungen zum Kosovo).
Die Denkgrundlage dieser Mentalität entstammt der Zeit der Türkenherrschaft. Damals wurden vom Sultan an seine Günstlinge Paschaliks vergeben, nichterbliche Ämter, bei denen es darauf ankam, soviel wie möglich in die eigene Tasche zu wirtschaften, bevor man des Amtes wieder enthoben wurde, weil man beim Sultan in Ungnade gefallen war. Wenn ich die Art und Weise sehe, wie die Wahlsieger ihren Familienanhang oder ihre Günstlinge in Stellung bringen, das Recht (etwa das Immobilienrecht oder die Förderzonenbestimmungen) zu ihren Gunsten neu ordnen, wie sich hier andauernd das Ämterkarussell dreht, nichts stabil und höchst selten was von Kompetenz diktiert ist, dann weiß ich, dass dieses selbst in der Türkei schon kaum mehr vorherrschende Prinzip hier unbeschadet überlebt hat.
Diese Mentalität wirkt allerdings weit ins Persönlich-Individuelle hinein. Albaner sind durchaus fleißige und schaffende Leute. Für sich und ihre Familie rackern sie sich ab, aber sie entwickeln kaum Gemeinschaftssinn, Verantwortung, über die Grenzen ihrer Grundstücke hinaus, auch hier zählt nur das Wohl des Clans. Ihre Häuser und Höfe mögen deshalb reinlich sein, jenseits der Mauer oder am Dorfende liegt der Müllberg, für den Wer-weiß-Wer verantwortlich ist, vielleicht der Staat.
Zur Illustration möchte ich noch ein sehr charakteristisches Beispiel anführen: Der deutsche Staat hat den Albanern einen überaus großen Dienst erwiesen, indem er mit Fördergeldern die Kirchenanlage von Skanderbegs Schwester auf Kap Rodon vollständige retten und restaurieren ließ. Dort drin ist unter anderem so ein Nationalheiligtum wie das Urbild des albanischen Nationalwappens.
Als ich mit einer Touristengruppe dorthin kam, fand ich die ganze Anlage extrem vermüllt vor, einige Zeit zuvor hatte dort das Fest des Kirchenheiligen stattgefunden. Ortsvorsteher Tanushi, darauf angesprochen, gab zur Antwort, wenn die Deutschen so an der Sauberkeit des Denkmals interessiert seien, dann können sie ihm doch eine jährliche Dotierung aussetzen, dann würde er dafür sorgen, dass das Areal immer sauber gehalten werde.
Ich denke, die mentale Reinigung dieser Gesellschaft muss auch hier ansetzen, damit es am Ende eine von allen getragene demokratische Reinigung wird, die das Land reif für Europa macht.