Hallo, in einer anderen Diskussion hier ("Ilyret") habe ich versprochen, diesen Artikel reinzustellen..hätte gern Eure Meinungen, bzw. evtl. Antworten zu meinen Fragen ganz unten...
Bin gespannt auf Feedback..
Elly
Schwarzes Loch oder Pulverfass?
GASTKOMMENTAR VON ARNOLD SUPPAN (Die Presse) 07.01.2006
Gefahren und Perspektiven für den Westbalkan.
Auch Anfang 2006 hat die internatio nale Gemeinschaft noch immer kein umfassendes, realistisches Konzept zur Entwicklung der gesamten Balkanregion. Mehr als zehn Jahre nach dem Massaker von Srebrenica und dem Dayton-Friedensabkommen und fünf Jahre nach dem Sturz des serbischen Machthabers Slobodan Milosevic steht die Region "dichter am Scheitern als am Gelingen".
Der westliche Balkan ist ein Flickenteppich schwacher Staaten, ohne Wirtschaftswachstum, mit 60 Prozent Arbeitslosigkeit, Korruption und einer Bevölkerung ohne Zuversicht und ohne Vertrauen in die entstehenden demokratischen Institutionen. Dabei hat die EU in ihre Protektorate auf dem Balkan viel investiert: Milliarden Euro, Zehntausende Soldaten und Polizisten, eine Heerschar von Verwaltern, Entwicklern, Kontrolloren. Aber eine EU-Kommission musste im April 2005 konstatieren: "Die Zukunft Mazedoniens ist ungewiss, die Zukunft Serbiens ist unklar. Es besteht das Risiko einer Explosion des Kosovo, einer Implosion Serbiens und neuer Brüche in den Grundfesten Bosniens und Mazedoniens." Daher empfahl die Kommission die Aufnahme der Staaten des mittleren und westlichen Balkans in die EU bis 2014. Vorangehen sollte eine baldige Klärung des endgültigen Status der Provinz Kosovo und die Heranführung an die Unabhängigkeit.
Nach dem Scheitern der jugoslawischen Idee droht Serbien nun auch das Scheitern der großserbischen Idee, die Vereinigung aller Serben in einem Staat. Ein Tausch des Kosovo gegen einen Anschluss der serbischen "Entität" in Bosnien an Serbien steht international nicht zur Diskussion. Bleibt lediglich eine kleine Hoffnung, die serbischen Mehrheitsgemeinden nördlich von Mitrovica für eine Anerkennung der Souveränität des Kosovo zu sichern. Freilich, bei rationaler Abwägung aller Sicherheits-, Sozial- und Wirtschaftsrisiken könnte sich für ein neues, wirklich demokratisches Serbien ein Verzicht auf den Kosovo langfristig sogar lohnen. Denn immerhin gehörte die heute serbische Vojvodina bereits zu Mitteleuropa, als der Kosovo noch osmanische Provinz war.
Eine entscheidende Frage für die Zukunft des Balkans wird zweifellos sein, ob alle Albaner in Albanien, im Kosovo, im südlichen Montenegro, im westlichen Mazedonien und im nördlichen Griechenland ein "Großalbanien" anstreben oder nicht. Derzeit scheinen die ehemaligen albanischen Rebellen im Kosovo und in Mazedonien keinen "Pan-Albanismus" zu verfolgen, da sie im Kosovo eine konditionierte Unabhängigkeit anstreben, in Mazedonien jedoch die Integration in den dezentralisierten Staat. Im Übrigen spaltet der alte Gegensatz zwischen den im südlichen und mittleren Albanien siedelnden Tosken und den Gegen im Norden, zu denen auch die Kosovo-Albaner gehören, das albanische Ethnikum. Bei einem "Anschluss" des Kosovo an Albanien würde sich also das demografische Gewicht in einem gemeinsamen Staat zugunsten der Gegen verändern. Aus Erfahrungen mit Prozessen der südosteuropäischen Nationalstaatsbildungen seit 1830 kann man freilich resümieren, dass ein "Offenhalten" der Kosovo-Frage Tendenzen zur Suche nach einer gesamtalbanischen Lösung fördern könnte.
Für die Zukunft des Staates Bosnien und Herzegowina gibt es ganz unterschiedliche Visionen. Die "Wesire und Konsuln" der von Ivo Andric beschriebenen Zeit um 1800 in seiner Geburtsstadt Travnik sind nach dem verheerenden Belagerungs- und Vertreibungskrieg zwischen 1992 und 1995 längst von der neuen Spezies der so genannten "Internationalen", der Vertreter internationaler Organisationen, aber auch privater NGOs, abgelöst worden. Der durch die mehrfache Aufsplitterung des Staates aufgeblähte und ineffiziente Verwaltungsapparat verschlingt mehr als 60 Prozent des Budgets.
Und es ist nach wie vor ein Skandal auch der in Bosnien stationierten Nato-Truppen, dass die beiden Hauptverantwortlichen für den Krieg in Bosnien, Radovan Karadizic und General Ratko Mladic, neun Jahre nach Anklageerhebung noch immer in Freiheit sind. Das Office of the High Representative (OHR), derzeit noch geführt von Paddy Ashdown, nützte in den letzten Jahren seine Entscheidungskompetenzen gegenüber den politischen Vertretern der Muslime, Serben und Kroaten. Aber viele Landeseinwohner betrachten den bosnischen Staat nach wie vor als ein von außen aufgezwungenes Gebilde. Ein bosniakischer Arzt, der nach 1995 aus dem westeuropäischen Asyl zurückgekehrt war, resümierte daher treffend: "Wir lebten immer unter irgendeinem fremden Diktat. Offenbar geht es auch heute nicht anders."
Die Vision erscheint anspornend: Ein befriedeter Balkan im gemeinsamen Europa, einhundert Jahre nach den Schüssen von Sarajewo? Ob aber ein solcher Stufenplan einer Annäherung an und einer Aufnahme in die EU nach den negativen Referenden zur EU-Verfassung und der danach verkündeten Nachdenkpause im Erweiterungsprozess derzeit realistisch ist, ist fraglich. Immerhin begannen Anfang Oktober 2005 unter tatkräftiger Mithilfe Österreichs die EU-Beitrittsverhandlungen mit Kroatien; und immerhin begannen auch vorbereitende Gespräche mit Serbien-Montenegro und Bosnien-Herzegowina; nun haben zu Jahresende 2005 auch die UN-Verhandlungen über den künftigen Status des Kosovo begonnen - zumindest ein gewisser Hoffnungsschimmer.
MEINE FRAGEN IN DER DISKUSSIONSRUNDE:
1. STREBEN DIE ALBANER (I A., K., MK) TATSÄCHLICH EIN GROSSALBANIEN AN?
2. UM WELCHEN GEGENSATZ ZW. TOSKEN UND GEGEN IST HIER DIE REDE (DAS IST REINE NEUGIERFRAGE MEINERSEITS, ES REICHT, WENN MIR JEMAND DAS NUR ERKLÄRT)
3. GLAUBT IHR AUCH, DASS DIE ZUKUNFT MAZEDONIENS UNGEWISS IST?