"An der Grenze haben sie uns das Filet abgenommen"Braunschweiger Horst Wolter stand 1968 beim 0:0 in Albanien im deutschen Tor
Von Ute Berndt
BRAUNSCHWEIG. Es gilt als eine der größten Pleiten einer deutschen Fußball-Nationalmannschaft: Das 0:0 in Albanien kostete die DFB-Elf 1968 die Qualifikation für das Viertelfinale der EM. Der Braunschweiger Horst Wolter stand im Tor und erinnert sich.
"Für mich war unser Scheitern ganz schrecklich, es wäre meine erste EM gewesen, und ich hatte mich schon riesig gefreut." Der heute 65-jährige Schlussmann der Eintracht-Meistermannschaft war im Herbst 1967 von Bundestrainer Helmut Schön als Nummer zwei hinter Sepp Maier in die DFB-Auswahl berufen worden.
Bei den ersten Qualifikationsspielen saß er nur auf der Bank, doch in der letzten Partie in Tirana, in der der fürs Weiterkommen nötige Sieg für den Vize-Weltmeister von 1966 nur eine Formsache zu sein schien, ließ Schön seine Nummer zwei zwischen die Pfosten.
Wolter hat vor allem noch die Reise ins isolierte Albanien im Kopf. Nach Warnungen des 1. FC Köln, dessen Spieler bei einem Europapokalspiel in Tirana nur Toast und Rührei bekommen hatten, reiste der DFB mit einem Koch und großen Fleischrationen im Gepäck an.
"Aber an der Grenze haben sie uns das Filet und die anderen Sachen gleich abgenommen", berichtet Wolter. "Es hieß, ein sozialistisches Land ernährt seine Gäste selbst." So gab es für die Fußballer doch Magerkost, während für die Grenzer – so malt es sich der Braunschweiger zumindest aus – "Weihnachten und Silvester auf einen Tag fiel."
Genau so abenteuerlich sei dann das Spiel gewesen, auf einem Hartplatz ohne Rasen und vor vollen Rängen, auf denen Zuschauer in olivgrüner Uniform immer wieder die vorgegebene Parolen riefen.
"Ich hatte nicht viel zu tun", erinnert sich Wolter. "Ich habe zwei, drei knifflige Situationen gut gelöst und ansonsten nur gehofft, dass vorne irgendwie der Ball mal rein geht."
Doch das war nicht der Fall, trotz der starken Besetzung mit sechs Offensivkräften um Günter Netzer und Wolfgang Overath.
Nach der Rückkehr von dieser Schmach wurden die Spieler daheim in der Presse zerrissen, wobei der Braunschweiger glimpflich davon kam. "Als Torhüter, der keinen Ball reingelassen hat, habe ich keine Schelte abbekommen, aber die Nation war natürlich traurig."
Wolter wurde zwei Jahre später entschädigt. 1970 erlebte er bei der WM-Qualifikation in Glasgow sein wie er sagt schönstes Spiel und durfte bei der Endrunde in Mexiko im Spiel um Platz drei wieder für Sepp Maier ins Tor. "Das war eine sensationelle Atmosphäre", schwärmt er vom 1:0 gegen Uruguay vor mehr als 100 000 Zuschauern im Aztekenstadion. Das Debakel von Tirana hat er schnell wieder verdrängt.
Mittwoch, 21.05.2008