Das Zentrum der Scharia: Das Ehe und Familienrecht
Die muslimische Apologetik betont, daß nur die Scharia Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern und der Frau Würde und Ehre geben kann. Diese Gleichberechtigung der Frau geht für muslimische Apologeten aus dem koranischen Schöpfungsbericht ebenso hervor (Sure 39,6; 49,13) wie aus der Verpflichtung von Mann und Frau zur Erfüllung der Gebote (vor allem der "Fünf Säulen"), in der die Frau dem Mann in nichts nachsteht. Ja, Männer und Frauen seien "aus einem einzigen Wesen" erschaffen worden (4,1), einander zu "Beschützern" oder "Freunden" (9,72). Beiden werde das Paradies verheißen, wenn sie "Gott demütig ergeben" seien (33,35) und "glauben und das Rechte tun" (16,97).
Allerdings begründet sowohl der Koran als auch die Überlieferung eine deutliche rechtliche Bevorzugung des Mannes. So lautet Sure 4,34: "Die Männer stehen über den Frauen, weil Gott sie vor diesen ausgezeichnet hat und wegen der Ausgaben, die sie von ihrem Vermögen gemacht haben. Und die rechtschaffenen Frauen sind demütig ergeben (oder: gehorsam)...". Ähnlich Sure 2,228: "Die Männer stehen eine Stufe über ihnen." Muslimische Theologen kommentieren: "Männer und Frauen haben als Menschen nicht denselben Wert" oder: "Männer sind Frauen überlegen, und ein Mann ist besser als eine Frau." Aus Sure 4,34 werden zwei Grundpfeiler des islamischen Eherechts abgeleitet: Die Pflicht des Mannes zum Unterhalt seiner Frau mit seinen "Ausgaben" (4,34), während sie ihm "demütig ergeben" oder "gehorsam" sein muß (4,34). Der "Unterhalt" beinhaltet Nahrung, Kleidung und Wohnung, nach Meinung der malikitischen Rechtsschule auch die medizinische Versorgung der Ehefrau.
Der Gehorsam der Ehefrau wird in erster Linie auf den Bereich der Sexualität bezogen, denn der Mann erwirbt mit Abschluß des Ehevertrages und Beginn der Unterhaltszahlungen das Recht auf die Verfügbarkeit seiner Frau (vgl. Sure 2,223; 2,187): "Nach diesem Vers soll eine Ehefrau ihrem Mann immer zur Verfügung stehen, wenn er es wünscht." Versäumt der Ehemann seine Unterhaltspflicht, erhält seine Frau das Recht auf Ungehorsam. Ist sie ihm ungehorsam, kann der Ehemann seinen Unterhalt einstellen. Aber auch über den Gehorsam hinaus ist die Frau im islamischen Eherecht stark benachteiligt:
Zeugenrecht: Nach Sure 2,282 kann die Zeugenaussage eines Mannes nur von zwei Frauen aufgewogen werden, denn "eine Frau allein kann sich irren" (2,282). Viele muslimische Theologen bescheinigen Frauen eine größere emotionale Labilität, Irrationalität und beschränkte Einsicht in intellektuelle Angelegenheiten. "Frauen stehen unter der Herrschaft ihrer Gefühle, wohingegen Männer ihrem Verstand folgen", denn: "Die geistigeÜberlegenheit des Mannes über die Frau ... ist einfach von der Natur so vorgegeben."
Züchtigungsrecht: Sure 4,34 gesteht dem Ehemann ein Erziehungsrecht an seiner Frau zu: "Und wenn ihr fürchtet, daß (irgendwelche) Frauen sich auflehnen, dann vermahnt sie, meidet sie im Ehebett und schlagt sie!"(4,34). Zwar ruft die Überlieferung Männer dazu auf, ihre Frauen gut zu behandeln. Manche Theologen fordern, eine Frau dürfe niemals heftig oder ins Gesicht geschlagen werden. Aber da der Mann der Frau nun einmal übergeordnet sei, müsse er die Ordnung wahren und Unfrieden - notfalls mit Druck - abwenden. Von Muhammad ist überliefert: "Der Prophet sagte: Schlagt nicht die Mägde Gottes. Da kam Umar [der zweite Kalif, regierte 634-644 n. Chr.] und sagte: ‚O Gesandter Gottes, die Frauen rebellieren gegen ihre Gatten.' So erlaubte er, sie zu schlagen".
Scheidungsrecht: Die traditionelle Verstoßungsformel "Ich verstoße Dich" reicht heute in vielen Ländern zwar nicht mehr aus, dennoch ist die Scheidung für den Mann erheblich einfacher als für die Frau, die vor Gericht Beweise für ein Fehlverhalten des Mannes erbringen muß. Zudem wird sie eine Scheidung sozial ins Abseits manövrieren und sie wirtschaftlich häufig mittellos zurücklassen. Auch die "widerrufliche" Scheidung ist dem Mann allein erlaubt. Er spricht dann die Scheidungsformel nur einmal aus und kann seine Frau wochen- und monatelang in einem Schwebezustand zwischen Scheidung und Ehe halten. Er allein bestimmt nach drei Monaten ob er die Ehe fortsetzen oder seine Frau verstoßen will. Etliche Länder haben heute die Scheidung für den Mann erschwert und fordern z. B. gerichtliche Versöhnungsversuche.
Eheschließung: Im traditionellen Bereich wird auch heute die Mehrzahl der Ehen arrangiert und die Frau von ihrem Vormund "verheiratet", manchmal ohne Mitspracherecht. Zwar lehntdie Überlieferung eine Eheschließung gegen den Willen der Frau ab, aber sie hat in der Praxis oft kaum die Möglichkeiten, sich zur Wehr zu setzen. Traditionell gilt eine Ehe für Mädchen ab etwa 9 Jahren für möglich - gemäß des Vorbildes Muhammads, der seine Lieblingsfrau Aisha mit rund 9 Jahren zur Frau genommen haben soll - heute haben jedoch etliche Länder gesetzlich das Mindestheiratsalter für Mädchen wie Jungen auf meist 16 bzw. 18 Jahre heraufgesetzt.
Trägerin der Ehre:
Auch die Familie, Gesellschaft und nahöstlich-muslimische Kultur weisen der Frau einen untergeordneten Platz zu. Sie hat Sitte und Anstand zu wahren, sich zu verhüllen und nach Möglichkeit im Haus zu bleiben. Zwar gelten in der Theorie für Mann und Frau dieselben Strafen für Unzucht und Ehebruch. In der Praxis jedoch wird Männern mehr Bewegungsspielraum zugestanden, da nur das Verhalten der Frau die Familie entehrt, nicht das des Mannes. Muslimische Frauenbewegungen fordern seit Jahrzehnten vermehrte Rechte ein, allerdings nicht unter der Vorgabe, die Scharia abzuschaffen. Wenn der Koran nur richtig interpretiert und der "wahre" Islam Muhammads gelebt würde, werde die Gesellschaft frauenfreundlich. Zwar ist in der Theorie der Korpus an Schariabestimmungen zum Thema Ehe und Familie für alle islamischen Länder einheitlich - abzüglich differierender Auffassungen der einzelnen Rechtsschulen - in der Praxis werden diese Bestimmungen jedoch von Land zu Land sehr unterschiedlich gehandhabt. Auch der Grad der Frömmigkeit der Familie ist von Bedeutung sowie die Frage, ob eine Frau im ländlichen Bereich lebt, denn nur die Stadt kann einer Frau Bildung und Entscheidungsfreiheit bieten.
Dort, wo die Scharia - zumindest teilweise - in die Praxis umgesetzt wurde, muß sie ihr Versprechen, Würde, Freiheit und Gerechtigkeit zu bringen, erst noch einlösen. Minderheiten und Frauen sind die ersten Leidtragenden auf dem Weg zu einer vollständigen Islamisierung der Gesellschaft. Auch in Deutschland ist eine vertiefte Beschäftigung mit dem islamischen Recht und dessen inhaltlicher Definition von Menschen- und Frauenrechten dringend geboten.
Quelle:
http://www.igfm.de/?id=479