Nach viel internationalem Druck hat das albanische Parlament einstimmig die Justizreform verabschiedet, die der Korruption im Justizwesen ein Ende bereiten soll.
Mit seltener Einigkeit hat das albanische Parlament diese Nacht ohne Gegenstimme der Justizreform zugestimmt. Gelungen ist dieser wichtige Schritt zu mehr Rechtstaatlichkeit aber nur durch immensen Druck der EU und der USA.
Die Justizreform beinhaltet die Anpassung von 58 Verfassungsartikeln und mehrere neue Gesetze. Es ging dabei vor allem um eine bessere Bekämpfung der Korruption im Land (durch eine neue Sonderstaatsanwaltschaft und ein Sondergericht) und im Justizbereich im Besonderen. Der politische Einfluss auf die Justiz soll eingeschränkt werden. Diese Machtbeschränkung und die drohende Transparenz machte die Vorlage bei vielen Parlamentariern – Politik, Justiz und Kriminalität sind eng verflochten – nicht besonders beliebt, sägen sie ja damit am Ast, auf dem sie sitzen.
Wegen der Verfassungsänderung war aber eine Zweidrittelsmehrheit im Parlament und somit ein Mitwirken der Opposition notwendig, was in Albanien traditionell sehr schwierig ist.
Schwierige Verhandlungen
Am Gesetzespaket wurde mindestens anderthalb Jahre gearbeitet. Zahlreiche prominente ausländische Politiker flogen nach Tirana, um Druck auf die Albaner auszuüben, darunter der amerikanische Aussenminister John Kerry im letzten Februar. Man wollte verhindern, dass die Reform in den Mühlen der Politik versandet.
Gestern sollte es endlich so weit sein. Aber die Opposition der Demokratischen Partei verweigerte im letzten Moment ihre Zustimmung doch noch – es ging um die Frage, wie viel Kontrolle das Ausland ausüben darf. Nach langen und zähen Nachverhandlungen unter Vermittlug von US-Botschafter Donald Lu und der EU-Botschafterin Romana Vlahutin gab es am späten Abend doch noch Grünlicht aus der Parteizentralle der PD. Es soll Sali Berisha selbst gewesen sein, der am Schluss die entscheidende Zustimmung gab – der ehemalige Parteichef und Ministerpräsident scheint noch immer das Sagen zu haben.
Der Druck insbesondere aus den USA war aber auch sehr stark. Washington drohte der PD-Fraktion mit Einreiseverbot und Einfrieren von Vermögen, sollten sie nicht zustimmen. Darauf wollten mehrere demokratische Parlamentarier die Partei verlassen.
Eigenverantwortung Albanern nicht zugetraut
Dass die internationale Gemeinschaft den Albanern nicht zutraut, ihren Staat selber korrekt zu führen, geht schon über 100 Jahre zurück, als der Deutsche Wilhelm zu Wied als Fürst eingesetzt wurde. Auch im Fall der Korruptionsbekämpfung wollten die EU und die USA das Feld nicht den Albanern allein überlassen. Die Ermittlungsbehörden werden in Amerika ausgebildet. Die Beteiligung des Auslands bei den Aufsichtskommissionen war der umstrittene Punkt am Schluss – die PD wehrte sich gegen allzu viel Einmischung.
In den Verhandlungen der letzten Nacht einigte man sich dann darauf, dass nur das albanische Parlament die Mitglieder der Aufsichtskommissionen über Staatsanwälte und Richter wählen kann. Es wurde aber ein neues Gremium (»International Monitoring Operation«) geschaffen, das die Kandidaten vorab überprüfen kann.
Das verabschiedete Reformpaket wurde von allen Parteien gewürdigt. Vor allem die albanischen Bürger und das Ausland hoffen, dass korrupte Richter und bestechliche Staatsanwälte von ihren Ämtern enthoben werden. In Zukunft wird es möglich sein, ihre Einkommen und Vermögenslage viel besser zu überprüfen. Durch die Reform wird das Justizsystem neu organisiert und mancher Justizbeamte, von denen viele unter der Berisha-Regierung angestellt wurden, muss um seine Stelle bangen. Korrupte Politiker und das organisierte Verbrechen müssen jetzt fürchten, dass früher oder später doch noch gegen sie vorgegangen wird.
Schritt in Richtung EU
Die Verabschiedung des Reformpakets war eine Voraussetzung der EU für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen. Albanien ist Europa somit hoffentlich einen weiteren entscheidenden Schritt nähergekommen.
(nlA)